Erste Lockerungen des Lockdowns in Nepal
Ein wenig normale Lebendigkeit…
Wegstrecke zu kleinen Erleichterungen
Am 30.5.2020 wurde der bereits seit Ende März bestehende Lockdown in Nepal ohne Lockerungen beziehungsweise ohne einen Vorschlag wie ein schrittweises Zurückfahren der strikten Ausgangssperre zu etwas mehr Normalität aussehen könnte, bis zum 14.6.2020 verlängert.
Erst nachdem das Land am 24.3.2020 in Lockdown versetzt und abgeriegelt wurde, stiegen ab Mitte Mai die Zahlen der Covid-19 Infizierten stetig an. Dieser Anstieg der Zahlen resultiert hauptsächlich aus der Rückkehr der Tausenden nepalischen Migranten von Indien. Die Heimkehrer müssen oftmals tagelang an den Grenzübergangen in indischen Quarantäne Lagern ausharren bis sie ihre Heimat betreten dürfen. Dann werden die Menschen nochmals in Quarantäne Unterkünfte untergebracht und getestet. Bilder im nepalischen Fernsehen machten die katastrophalen Zustände dieser Unterkünfte publik. Sie zeigten junge Menschen, die auf blankem Fußboden ausgerollten dünnen Matten liegen. Ohne Decken oder Kopfkissen. Von gut ausgestatteten sanitären Anlagen und regelmäßiger Grundverpflegung ganz zu schweigen. Ich glaube, diese Bilder mit den menschenunwürdigen Zuständen lassen sich nicht so schnell wieder aus meinem Kopf löschen. Erschwerend kommt in den Quarantäne Lagern noch hinzu, dass aufgrund der im Land sowieso sehr gering vorhandenen „Polymerase Chain Reaction (PCR)“ Testmöglichkeiten umso mehr „Rapid Diagnostic Test (RDT)“ Tests, denen eine geringe Zuverlässigkeit zugeschrieben wird, eingesetzt werden.
Die Tatsache des Anstiegs der Infizierten wurde dann als Grund den Lockdown zu verlängern, herangezogen. Medien berichteten indes immer mehr über lautwerdende Stimmen von Gesundheitsexperten und Fachleuten aus anderen Bereichen, die die Reaktionen und die Führung der Regierung in Zusammenhang mit den Herausforderungen der Pandemie als zweifelhaft und unangebracht bezeichneten. Auch bei Geschäftsleuten und Ladenbesitzer, die den zweimonatigen Stillstand zunächst geduldig hingenommen hatten, regte sich langsam etwas Widerstand. Am 4.6.2020 forderte der Einzelhandel die stundenweise Öffnung der Läden unter Einhaltung der Maskenpflicht und den erforderlichen Mindestabständen. In der New Road in Kathmandu setzten einige Shops die Forderung direkt um und öffneten die Ladenlokale.
Trotz dieses Aufbegehrens der Bevölkerung wurden zunächst Meetings und Zusammentreffen von Regierungsbeamten zur Beratung über Lockerungsmaßnahmen immer wieder verschoben. Dann passierte etwas mit dem niemand gerechnet hätte: am 9.6. 2020 versammelten sich einige Hundert junge Erwachsene friedlich und unter Einhaltung der Corona-Sicherheitsmaßnahmen zu einer Demonstration vor der Residenz des Premier-Ministers in Baluwatar. Mit Slogans wie „Enough is enough“ oder „Sanitze the government“ stellten sie die Kompetenz der Regierung in Frage und forderten bessere Quarantäne Unterkünfte, das ausschließliche Testen mit der PCR-Methode und Transparenz sowie Rechenschaft über die ausgegebenen Gelder in der Corona-Krise. Die Reaktionen der Polizei, die unter anderem Wasserwerfer auffuhren, hielten die Demonstranten jedoch nicht davon ab sich auch in den folgenden Tagen und nun zu Tausenden und verteilt im ganzen Land zu friedlichen Protesten zu treffen.
Laut Medienberichten zufolge sind diese Demonstrationen bisher einmalig in der Geschichte Nepals. Besonders ist, dass die Protestierenden keiner Partei angehören und sich über Soziale Medien wie Facebook organisieren. Die private Facebook-Gruppe „Covid-19 Enough is Enough“ ist erst seit dem 6.6. 2020 registriert und hat bereits über 190.000 Mitglieder. Die jungen Leute wollen die Proteste weiter fortsetzen. Aufgrund möglicher Ansteckungsgefahr jedoch nicht mehr auf den Straßen. Es bleibt abzuwarten und zu hoffen, dass diese Bewegung etwas verändert.
Vorerst geltende Lockerungen
Ob es nun direkt mit den Protesten zu tun hatte oder nicht, am 11.6.2020 wurden seitens der Regierung einige Lockerungen, die teilweise sofort, teilweise ab heute, dem 15.6.2020 gelten, bekanntgegeben. Die Lockerungen betreffen Gebiete, in denen das Risiko einer Übertragung relativ gering ist. In den kommenden Tagen soll dies weiter spezifiziert werden. Direkt ab Bekanntgabe durften wieder private Fahrzeuge für kurze Fahrten im Kathmandu-Tal in Betrieb genommen werden. Um den Fahrzeugverkehr einzuschränken dürfen die Fahrzeuge allerdings nur nach dem „Gerade / Ungerade –Zahlen-Prinzip“ operiert werden. Das heißt Fahrzeuge mit geraden Nummern an gerade Tagen und mit ungeraden Nummern an ungeraden Tagen. Fahrten in andere Distrikte des Landes sind nach wie vor nur mit besonderer Genehmigung möglich. Neben den bereits während des Lockdowns tätigen systemwesentlichen Bereichen wie Ambulanz, Gesundheitsservice und Krankenhäuser, Banken, Feuerwehr, Elektrizität, Trinkwasser- und Milchlieferungen, Gemüse- und Obststände, Müllabfuhr oder Lebensmittelläden dürfen auch Restaurants für den Take-Away-Service öffnen. Sämtliche Behörden und Büros jeglicher Art können mit halber Besetzung im Schichtwechsel arbeiten. Ab heute hat die Immigration Behörde mit Visa Service ihren Betrieb aufgenommen. Zusammenkünfte von bis zu 25 Personen sind wieder erlaubt. Selbstverständlich sind bei allen Lockerungen überall die Sicherheitsmaßnahmen wie Maskentragen und Abstandhalten zu beachten.
Weiterhin bleiben Schulen, Colleges, Universitäten, Heiligtümer, Kinos, Schwimmbäder, Fitness-Studios, Wellness-Center, Friseure geschlossen. Eine Aufnahme des öffentlichen Nahverkehrs ist ebenfalls noch nicht gestattet. Die Aussetzung der Flüge am Internationalen und Nationalen Flughafen wurde nochmals bis zum 5.7.2020 verlängert.
Wie eine mögliche zweite Lockerungs-Phase aussehen wird und wann diese zum Einsatz kommen könnte, ist noch nicht kommuniziert.
Ein Stück Normalität
Wir waren heute das erste Mal seit langem mit unserem Fahrzeug unterwegs. Bei der Bank ist es nun obligatorisch sich mit Namen, Adresse und Telefonnummer zu registrieren. Nach dem Desinfizieren der Hände und Fiebermessen ist der Zutritt zu den Schaltern und Sektionen erlaubt. Überall auf den Sitzbänken sind Markierungen angebracht, um auf die Abstandsregeln hinzuweisen und zwischendrin immer einen Platz frei zu lassen. Als wir in Thamel, dem Touristenviertel, die teilweise geöffneten Souvenirläden und Restaurants wahrgenommen haben, waren wurden die Lockerungen direkt sichtbar und es fühlte sich schon ein Stückchen mehr nach vorheriger Normalität an. Selbst Touristen, die sich wohl dazu entschlossen hatten, die Corona-Zeit in Nepal zu verbringen, waren vereinzelt unterwegs. Diese Lebendigkeit zu sehen, das tat gut.
Wie sich allerdings diese neue Normalität für die hungernden Tagelöhner, für die vielen Migranten, deren Rückholung aus den arabischen Ländern seit letzter Woche eingeleitet ist und für die Ethnie der Dalits, die in diesen Zeiten wieder verstärkte Diskriminierung erfahren, anfühlt, ist schwer zu sagen. Auch ab wann die Tourismus-Industrie wieder Fahrt aufnehmen kann und wie es mit den indisch-nepalischen Streitigkeiten um die Territorien Lipulekh, Kalapani und Limpiyadhura an der nordwestlichen Ecke Nepals weitergeht, bleibt abzuwarten. Zu diesen Themen werde ich in Kürze nochmals einen separaten Beitrag in meinen Blog einstellen.
Anbei noch ein paar Foto-Impressionen von dem zum Leben erwachenden Touristenviertel Thamel:

Erste Souvenirläden in Thamel sind geöffnet

Mandala Street

Thamel

Etwas zum Leben erwacht

Kleiner Stau Richtung Maharajgunj

Momos aus dem Take-Away-Lokal
Lieben Dank für deinen informativen Blog und deine Eindrücke.
Liebe Ingrid, vielen Dank für Deinen Kommentar über den ich mich sehr freue.
Viele Grüße aus Kathmandu, Sabine
Liebe Sabine, vielen Dank für deinen Bericht. Wir sind immer neugierig auf erste Hand Informationen. Deine blogs sind zur Zeit für uns die einzige Möglichkeit, differenzierte Informationen aus Nepal zu bekommen. Bleibt gesund & liebe Grüße!
Lieber Michael, vielen Dank für Deine Worte. Ich freue mich sehr, wenn ich mit meinen Beiträgen zu guten Informationen aus Nepal beitragen kann. Bleibt auch gesund und hoffentlich bis bald. Herzliche Grüße Sabine
Hallo Sabine, vielen Dank für deine überaus interessanten Information. Sie gibt mir Hoffnung vielleicht doch noch in diesem Jahr nach Nepal fliegen zu können. In unserer Medienlandschaft gibt es leider kaum Berichte über die Situation in Nepal. Darum freue ich mich über weitere Infos. Bleibe gesund, beste Grüße Reiner
Lieber Reiner, vielen Dank für Deine Rückmeldung. Ja – es wäre schön, wenn in diesem Jahr Reisende noch kommen könnten. Warten wir’s ab.
Dir auch alles Gute und viel Gesundheit. Grüße Sabine
Vielen Dank für den Bericht. Ich frage mich nur, für wen die Souvenirläden öffnen, es sind doch keine Touristen da die dort einkaufen würden.
Liebe Petra, vielen Dank für Dein Feedback. Als wir am Samstag nochmals in Thamel waren, haben wir bestimmt 20 Touristen gesehen. Es ist irgendwie unglaublich, aber es scheint, dass sich einige dazu entschieden haben, die Corona-Zeit hier in Nepal zu verbringen. Laut Medienberichten wurden 400 Touristen-Visa verlängert. Und ich denke es gibt auch noch Expats oder andere Ausländer, die so wie ich in Nepal leben, und sich freuen, dass die Souvenirläden wieder offen sind. ;-)) Viele Grüße aus Kathmandu, Sabine
Danke Sabine, der kleine Lichtschimmer am Horizont freut mich für Nepal! Möge es weiter „bergauf“ gehen!
Danke liebe Elke… ja hoffentlich. Viele Grüße
Liebe Sabine,
herzlichen Dank, dass Du uns an den winzigen Lichtblicken teilhaben lässt. Ich wünsche den jungen Leuten Mut, Kraft und Ausdauer
Herzlichen Dank für Deine Worte liebe Ingeborg. Bleibt gesund und viele Grüße aus Kathmandu.
Liebe Sabine,
vielen vielen Dank für Deinen Bericht. Meine 15. Reise nach Nepal im April 2020 mit 11 Mitwanderern hat nun auch nicht stattgefunden. Und 8 Teilnehmer warten noch auf die Rückzahlung von Turkish Airlines. Dann ist es gut, von Dir gute (und auch betrübliche) Nachrichten zu bekommen. Direkt und wahrheitsgemäß aus Nepal.
Herzliche Grüße, auch an Temba
Helmut
Lieber Helmut, vielen Dank für Deine Rückmeldung. Ich freue mich, dass ich durch den Bericht so vielen Nepal-Freunden und Nepal-Begeisterten einen Einblick in die derzeitige Situation geben kann. Die Grüße an Temba richte ich gerne aus. Herzlichst aus Kathmandu, Sabine
Liebe Sabine, auch wir freuen uns darüber , dass du uns immer wieder auf den neuesten Stand bringst. Wir wünschen euch und uns, dass es in absehbarer Zeit wieder möglich ist zu reisen. Bleibt gesund, liebe Grüße auch an Temba von
Jutta und Paul
Liebe Jutta und lieber Paul, wie schön von Euch zu hören. Ich freue mich sehr. Ja – es wäre schön, wenn es bald wieder möglich ist zu reisen. Euch auch alles Gute, die Grüße richte ich aus und bleibt gesund. Herzlichst aus Kathmandu, Sabine
Ein sehr interessanter und informativer Einblick in die Lage bei euch.
Ich danke Dir dafür.
Sonst bekommt man ja leider keine Informationen aus erster Hand sozusagen aus Nepal.
Wir haben schon mal vor vielen Jahren miteinander Kontakt per Mail gehabt.
Ich wünsche euch allen weiterhin alles gute und bleibt bitte Gesund.
Liebe grüße Klaus
Lieber Klaus, vielen Dank für Deine Worte. Dir auch alles Gute und bleibe gesund. Herzlichst aus Kathmandu, Sabine
Liebe Sabine, vielen Dank für diesen ausführlichen und spannenden Bericht. Du schreibst wunderbar und ich fühle mich selten in so kurzer Zeit so gut upgedatet! Es wäre schön auch weiterhin über die politischen Entwicklungen zu lesen. Die “Enough is enough“ Bewegung klingt sehr spannend und macht mir Hoffnung! Auch was die Grenzstreitigkeiten anbelangt würde mich interessieren wie das vor Ort diskutiert wird. Daher freue ich mich sehr auf deinen nächsten Blogeintrag! Ich wünsche euch alles Gute und dass ihr weiterhin gut durch diese Monate geht, bis wir uns dann wiedersehen können!
Liebe Kerstin, herzlichen Dank! Ich freue mich so sehr über Deine Nachricht und auch über Deine Email. Werde Dir noch in Ruhe antworten. Ich finde die Bewegung „Enough is enough“ auch ganz hoffnungsvoll. Leider habe ich die letzen Tage nichts mehr darüber in der Zeitung gelesen. Hoffentlich lässt sich die Jugend nicht unterkriegen und setzt die friedlichen, kreativen Proteste und Versammlungen fort. Dir alles Liebe und ich melde mich. Herzlichst aus Kathmandu, Sabine