HIMALAYA – wo die Götter wohnen …

23. Dezember 2015 at 20:16


… und viele Menschen unter Plastikplanen und Wellblech

 

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Die provisorische Notunterkunft aus Bambusmatten, Holzlatten, verrostetem Wellblech und Steinen ist mit Plastikplanen überspannt und verschnürt wie ein Paket. Diese behelfsmäßige Lagerstätte ist für 5 Tage und Nächte mein Zuhause.

Für die Menschen im Dorf Brabal auf 2.300 m solange bis ein neues Haus gebaut ist. Wie lange das dauert ist aufgrund der derzeitigen Lage schwer zu sagen. Bereits seit acht Monaten ist diese Behausung das vorläufige Heim für die Dorfbewohner.

Ein kleiner Raum  – dunkel und kalt, vollgestopft mit Habseligkeiten und Vorräten gerettet aus den Trümmern, ohne Fenster, ohne Isolierung, ohne fließend Wasser.

Auf der Feuerstelle kocht die Hausfrau die täglichen Mahlzeiten. Gleichzeitig dient diese als Ofen zum Aufwärmen. Wenn die Sonne am Abend um 16 Uhr verschwindet und am Morgen noch etwas Zeit braucht um sich ab 10 Uhr in voller Pracht zu entfalten, dann drängen sich alle um das Holzfeuer. Besonders geschätzt wird die Wärme wenn der starke Wind die Plastikplanen aufplustert und die Kälte in den Raum hineinbläst.  Wenn keine Sonne scheint und der sonst so stahlblaue Himmel wolkenverhangen ist, wird es fast unmöglich den Körper aufzuwärmen. Eingewickelt in die von verschiedenen Hilfsorganisationen übergebenen warmen Decken setzt sich die Kälte dennoch in Mark und Bein.

Morgens und abends, bevor das Feuer angezündet wird, ist der Atemhauch zu sehen. Nachts ist es derzeit minus 8 Grad im Freien und minus 3 Grad in der Unterkunft.  Das Wasser ist morgens vereist, überall liegt Raureif, die Erde ist hart gefroren und es wird täglich kälter.

Schutz vor der Kälte suchen auch die ungebetenen Gäste. Insbesondere am Abend und in der Nacht werden die Mäuse lebendig. Ein Rascheln hier, ein Piepsen dort und schwupp huscht eine kleine Maus vorbei.

Ich schlafe auf einer Isomatte auf der mit Holzbrettern ausgelegten Erde vor der Feuerstelle. Dick eingepackt im Schlafsack, meine Nase ist eiskalt. Es dauert Stunden bis ich einschlafen kann und eine bequeme Liegeposition finde. Die Toilette ist draußen und es kostet mich viel Überwindung den warmen Schlafsack zu verlassen. Ich bleibe liegen bis ich es nicht mehr aushalte. Dann werfe ich mir meine Daunenjacke über und öffne die Tür.  Dunkelheit schlägt mir entgegen. Über mir ein funkelnder  Sternenhimmel. Die Sterne zum Greifen nah. Wie wunderschön.

Wieder eingekuschelt falle ich in einen unruhigen Schlaf. Ganz früh werde ich wach. Ein bunter Vogel sitzt am einzigen Ausguck der Unterkunft und schaut mich an. Ich gehe nach draußen, atme die frische Bergluft ein, genieße die klare Sicht auf die schneebedeckten Gipfel des Ganesh Himal.

Wie können die Menschen den Winter überstehen?
Wie können die Menschen der Kälte trotzen?
Wie können die Menschen diesen Zustand aushalten?

Vielleicht sind es die vielen Natur-Schönheiten und die göttlichen Energien, die überall im Himalaya wahrzunehmen sind und die den Menschen die Kraft und Zuversicht geben durchzuhalten.

Durchzuhalten – bis der Winter überstanden ist.
Durchzuhalten – bis der Frühling kommt.
Durchzuhalten – bis jeder wieder ein richtiges Dach über dem Kopf hat.

NAMASTE!!

Namaskar Nepal – Informationen / Rundbrief No. 14

21. Dezember 2015 at 21:53

NAMASKAR Nepal

21. Dezember 2015 – Namaskar Nepal – Informationen / Rundbrief No. 14

Weihnachts- und Neujahrs-Brief

Genau so selbstverständlich wie die Jahreszeiten mit ihren Metamorphosen
ist auch der Wandel, dem wir unterliegen.

 

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Gebetsfahnen flattern im Wind und tragen die Wünsche zu den Göttern

 
Wir sind gerade zurück von unserem Besuch im Dorf Brabal mit Ausflug zu den heiligen Seen von Gosainkunda. Es war eine sehr intensive Zeit. Wir haben viel erlebt, konnten mit den Dorfbewohnern das weitere Vorgehen hinsichtlich des Wiederaufbau-Projekts besprechen und haben “unsere Batterien“ in der Natur aufgetankt.

Die Zustände unterwegs von Kathmandu über die Orte Galchi, Trisuli, Grang bis nach Thulo Barkhu sind erschütternd. Trümmerhaufen überall, Steine akkurat aufgeschichtet, Holzlatten fein säuberlich gestapelt, Notunterkünfte aus ausgebleichten, zerfetzten, zerschlissenen Plastikplanen und glitzerndem, glühend heißem und eiskaltem Wellblech. Wie können die Menschen so den Winter überstehen? Viele Hilfsorganisationen haben Solarlampen, Isomatten und Decken an die Betroffenen ausgeteilt. Ein richtiges Dach über dem Kopf werden die Geschädigten wohl frühestens im nächsten Jahr haben können.

 

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Erschreckende Zustände in den Dörfern im Rasuwa Distrikt

 
In dem gesonderten Erlebnis-Bericht “Himalaya – wo die Götter wohnen… und viele Menschen unter Plastikplanen und Wellblech“ habe ich die Erfahrungen und die Gefühle während den Übernachtungen in der Notunterkunft in Brabal niedergeschrieben. Der Bericht ist alsbald unter www.nepal-spirit.de abgerufen werden.

Erfreulicherweise ist während unseres Aufenthalts in den Bergen Bewegung in Sachen Wiederaufbau gekommen. Mitte Dezember wurde das Gesetz zur Bildung der nationalen Wiederaufbaubehörde verabschiedet. Derzeit steht noch aus, wer zum Geschäftsleiter ernannt wird.

In Abstimmung mit den Dorfbewohnern haben wir den Re-Start des Projekts Ende Februar/Anfang März 2016 geplant. Unabhängig der  zu diesem Zeitpunkt bestehenden Lage, sollen die Bau-Materialien eingekauft werden. Sollte die Straße bis nach Brabal nicht vollständig fertig gestellt sein, werden Zement und Sand das letzte Stück mit Pferden oder Maultieren transportiert.

Der Baugenehmigungs-Prozess geht ebenfalls voran. Heute waren wir beim Bauamt in Kathmandu.  Zunächst wurden wir, wie oft so üblich in Nepal, von A nach B und dann  von B nach C geschickt. Nach mehreren Stunden waren wir dann wieder dort wo wir zuerst angefragt hatten. Dennoch haben wir viele wichtige Informationen und  Formulare erhalten. Jetzt warten wir noch auf einen Termin beim stellvertretenden Generaldirektor.

Auf der Webseite des Bauamts (www.dudbc.gov.np) kann nun auch der neue Design-Katalog für den Wiederaufbau von erdbebensichereren Häusern  abgerufen werden.

Anfang Dezember haben wir aufgrund der momentanen Situation pro Mitarbeiter einen Betrag von NPR 20.000 (ca. EUR 180) aus dem zweckgebundenen Spendentopf „“Tembas Nepal Trek Family“ ausbezahlt. Die Übergabe erfolgte während unseres Guide Meetings am 4.12.2015.  Alle Mitarbeiter, denen zweckgebundene Spenden persönlich zustehen, wurden außerdem über die jeweiligen Beträge und die jeweiligen Spender informiert. Die Übergabe dieser Beträge bzw. der Kauf von Materialien soll beim Beginn des Wiederaufbaus der Häuser unserer Mitarbeiter erfolgen.

Die derzeitige Versorgungslage in Nepal ist nach wie vor katastrophal. Es hat sich gezeigt, dass eine schnelle Lösung nicht möglich ist. Ein Kompromiss zur Anerkennung der Forderungen der ethnischen Volksgruppe  Madhesi sowie die Öffnung der Grenzen zu Indien sind noch nicht in Sicht. Langsam werden Stimmen laut, die den Rücktritt des Premier Minister Oli fordern.
 

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Menschen wartend vor dem Gas-Depot

 
Zusätzliche Herausforderungen stellen die gerade erhöhten Stromausfallzeiten von täglich 10 Stunden dar. Im Moment haben wir tagsüber 2 Stunden Strom. Es kostet viel Überwindung in den ausgekühlten Räumen zu sitzen und die Büroarbeit zu erledigen. Eine warme Decke über den Beinen, Handschuhe, Mütze und Daunenjacke  machen es möglich die tägliche Arbeit zu erledigen.  Der elektrische Heizlüfter und der Gasofen kommen dieses  Jahr mangels Strom und Gas leider kaum zum Einsatz. Dennoch schauen wir mit Zuversicht und Vertrauen in die Zukunft.

Nepal ist trotz allem ein Land voller Magie – die einzigartige Natur mit dem gigantische Himalaya-Gebirge und den wunderschönen Landschaften, die kulturelle und religiöse Vielfältigkeit und die liebenswürdigen Menschen machen den kleinen Staat so besonders.
 

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Faszinierendes Himalaya-Gebirge

 
Wer sich gerne über die vielen Reisemöglichkeiten in Nepal informieren möchte, findet auf unserer Webseite  www.tembasnepaltrek.com/de/reisetermine/range.listevents/- die neu eingestellten Jahres-Reise-Highlights  2016. Diese Gruppen-Reisen führen in abgelegene Gebiete und finden zu festen Terminen statt. Gerne organisieren  wir auch Individual- oder Gruppenreisen  zu Wunschterminen.

Im Moment sind wir dabei einen Reisebaustein “Social Tour Sunaulo Sansar“ zu entwerfen.  Dieser wird den Besuch unseres Wiederaufbau-Projekts im Dorf Brabal, Rasuwa Distrikt sowie eine kleine Trekkingtour zu den heiligen Seen von Gosainkunda enthalten und individuell anpassbar sein.

Wir möchten uns an dieser Stelle ganz herzlich bei allen Gästen, Reisenden, Nepal-Interessierten, Spendern, Volontären, Helfern, Mitarbeitern und Geschäftspartnern für die Unterstützung, die schönen Begegnungen und Kontakte sowie für das in uns und unser Trekking-Unternehmen sowie unsere Hilfsorganisation entgegengebrachte Vertrauen bedanken.

Wir wünschen ein schönes und gesegnetes Weihnachtsfest und alles Gute für das kommende Jahr 2016.

Namaste aus Nepal

Temba & Sabine

 

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Namaskar Nepal – Informationen / Rundbrief No. 13

11. November 2015 at 9:49

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11. November 2015 – Namaskar Nepal – Informationen / Rundbrief No. 13

Bringt die Göttin Lakshmi das Glück und die Normalität zurück?!?

Heute findet in Nepal die Lakshmi Puja (Verehrung, Anbetungszeremonie der hinduistischen Göttin des Glücks, Reichtums und der Schönheit) statt. Bereits einige Tage vorher wurden die Häuser und Wohnungen geschruppt und geputzt. Blumengirlanden schmücken die Fenster und Türen. Kerzenlichter leuchten. Vor den Eingangstüren ist ein Weg gemalt, der in einem runden, wunderschönen bunten Mandala endet. Dadurch soll die Göttin Lakshmi angezogen werden und den Weg ins Haus finden um Glück, Reichtum und Schönheit …. und vielleicht auch die ersehnte Normalität … zu bringen.

 

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Farben für die Mandala

 

Normalität … ist derzeit noch nicht eingekehrt.

Die neue Regierung unter Premier Minister KP Sharma Oli und auch die seit zwei Wochen amtierende Präsidentin Bidhya Devi Bhandari konnten bisher noch keine erfolgreichen Verhandlungen mit den protestierenden Madhesi führen. Dafür waren die Gespräche mit China positiv. Verträge über Treibstoff-Lieferungen wurden geschlossen. Einige Tanklastwagen Benzin konnten so über die Grenze Rasuwaghadi im nördlichen Langtang Gebiet nach Kathmandu gebracht werden.  Nepal hat den Schritt gewagt und sich an den chinesischen Nachbarn gewandt um die Abhängigkeit von Indien etwas zu lösen.

Alles schien ein gutes Ende zu nehmen, als am 2.11.2015 die Grenze zu Indien wieder geöffnet war. Allerdings nur kurz, dann kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, wobei ein Inder, der sich auf nepalesischem Boden befand, erschossen wurde. Die Folge… eine erneute Versiegelung der Grenze.

 

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Kilometerlange Motorrad-Schlangen an den Tankstellen

 

Wie lange wird es dauern bis die Grenzen offen sind? In 1989 hatte Indien die Grenzen 15 Monate geschlossen. Eine Reaktion auf den Erwerb von chinesischen Waffen durch Nepal.

Unsere Wiederaufbauarbeiten befinden sich aufgrund der jetzigen Situation im Stillstand. Weder der Baugenehmigungs-Prozess noch der Transport von Materialen können umgesetzt werden. Für den Baugenehmigungs-Prozess fehlt der neu zu erstellende Building-Code der Regierung. Materialen können ohne die fehlenden Treibstoffe nicht in die abgelegenen Gebiete gebracht werden.

 

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Training der Dorfbewohner

 

Nicht nur uns geht es so… alle Hilfsorganisationen, die vor dem nahenden Winter noch mit den Aufbauarbeiten beginnen wollten, sind ausgebremst.

Wir haben deshalb einen schweren Entschluss gefasst und unseren Volontär-Einsatz vor Ort abgebrochen. Der Bau des Musterhauses ist aufgrund der nicht vorhandenen Materialien wie Zement und Sand nicht möglich. Darüber hinaus haben die Dorfbewohner  den Wunsch geäußert die Haus-Ruinen erstmals nicht zurückzubauen. Sie möchten in den kalten Monaten darin Vorräte und Holz, das für die neuen Häuser verwendet werden kann, aufbewahren.

An dieser Stelle möchten wir uns bei allen Volontären für die bisherige Unterstützung und das herausragende Engagement herzlich bedanken. Wir sind dankbar und froh, dass wir trotz der Widrigkeiten bisher schon so viel erreichen konnten: Rückbau von vier Häusern, Vorbereitung des Musterhaus-Grundstücks für das Baufundament, Schulung der Dorfbewohner hinsichtlich der erdbebensichereren Bauweise und die Vermessung aller Grundstücke und detaillierte Dokumentation der darauf neu zu bauenden Häuser.

 

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Herzlichen Dank

 

Nach den Tihar-Feiertagen werden wir den Genehmigungs-Prozess erneut anstoßen um hoffentlich im Februar 2016 mit dem Musterhaus-Bau beginnen zu können.

HAPPY DIPAWALI!!

Namaste

Temba & Sabine

 

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Blumengirlanden

Namaskar Nepal – Informationen / Rundbrief No. 12

25. Oktober 2015 at 12:27

Namaskar Nepal

25. Oktober 2015 – Namaskar Nepal – Informationen / Rundbrief No. 12

Nepal – Neuanfang mit Startschwierigkeiten?!?

Seit dem ersten Erdbeben in Nepal ist auf den Tag genau ein halbes Jahr vergangen. Die Dashain-Feierlichkeiten (Verehrung der hinduistischen Göttin Durga, die Mut, Kraft und Weisheit symbolisiert) sind gerade zu Ende gegangen. Das nächste Fest Tihar (Diwali – Lichterfest; Verehrung von Laxmi, der hinduistischen Göttin des Glücks, Reichtums und der Schönheit) steht schon vor der Tür.

 

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Blumengirlanden aus Tachetes

 
Feste und Rituale sind ein wichtiger und fester Bestandteil in den nepalesischen Traditionen. Genauso wie Familie und Dorfgemeinschaften geben sie Struktur und Halt im Alltag.

Organisierte Prozesse und vorausschauende Planungen, die eine schnelle Handlungsfähigkeit möglich machen und ebenfalls Struktur geben, sind in Nepal in anderen Lebensbereichen schwer zu finden.  Für die westliche Denkweise kaum nachvollziehbar. In Europa ist alles über Tage, Monate, Jahre hinweg im Voraus geplant und strukturiert.  Mit plötzlichen Veränderungen umzugehen ist schwierig. So hat auch die Flüchtlingswelle Europa ohne große Vorwarnung überrollt.

In Nepal sind plötzliche Veränderungen und ständig wechselnde Bestimmungen an der Tagesordnung. Flexibilität, Kreativität und Improvisationstalent sind notwendig. An einem kleinen Beispiel aus dem Tourismus-Bereich möchten wir das gerne verdeutlichen:

Vor gut einer Woche haben wir eine Email von der NMA (Nepal Mountaineering Association) erhalten. Die NMA ist seit Jahrzehnten für die Ausstellung der Bergbesteigungs-Genehmigungen zuständig. Die Genehmigungen konnten bisher über ein Online-Antragsverfahren angefordert werden. In der Email wurden wir nun informiert, dass mit sofortiger Wirkung, die Zuständigkeit auf das Tourismus Ministerium übertragen wurde. Keine weiteren Informationen, ob der ursprüngliche Beantragungsprozess beibehalten wird oder neue Voraussetzungen zu erfüllen sind. Wohlgemerkt, wir befinden uns gerade mitten in der Hauptsaison.

 

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Tibet Himal Range

 

Doch wenn selbst Flexibilität, Kreativität und Improvisationstalent in gegebenen Situationen nicht mehr weiterhelfen, dann tritt ein Gefühl der Ohnmacht ein.

Auch wir fühlen uns etwas ohnmächtig in der derzeitigen Situation vor Ort. Wie bereits in unserem letzten Rundbrief erwähnt, löste die neue Verfassung Proteste und Unruhen im südlichen Terai aus. Die anfänglichen Vermittlungsversuche zwischen den dortigen Bewohnern und der nepalesischen Regierung seitens Indiens, mündete in eine Grenzblockade. Die Blockade macht nun schon seit mehr als einem Monat die Abhängigkeit Nepals deutlich. Selbst in so einer prekären Situation möchte Nepal die indische Regierung nicht vor den Kopf stoßen und Hilfeleistungen von den chinesischen Nachbarn annehmen.

Vor den Tankstellen sind nach wie vor lange Schlangen aus Autos, Motorrädern, Regierungsfahrzeugen und Bussen zu sehen. Die Ausgabe von Benzin und Diesel ist streng reglementiert. Vollgestopfte Busse, Menschen auf dem Dach sitzend, froh einen Platz ergattert zu haben um im Heimatdorf das Dashain Festival feiern zu können. Das sind die Bilder auf den Straßen in den vergangenen Tagen. Restaurants haben eingeschränkte Speisekarten. Koch-Gas ist rar geworden. Viele Familien kochen mit Briketts oder Feuerholz. Eigentlich unvorstellbar und doch wahr: gerade jetzt während den Festlichkeiten, bei denen das Essen ein Hauptbestandteil ist.

 

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Nationalgericht – Dal Bhat – Linsen mit Reis

 

Inlandsflüge können durch Kerosin-Importe der Nepal Airlines Corporation (NAC) aus Kalkutta durchgeführt werden. Der Verkauf von Kerosin an internationale Fluggesellschaften wurde eingestellt. Die ausländischen Airlines wurden gebeten genügend Treibstoff mitzuführen oder während Zwischenlandungen in anderen Ländern aufzutanken.

Es ist nicht die erste Wirtschaftsblockade – bereits in den Jahren 1989 und 1969 ließ  Indien die Grenzen schließen.

Nach außen erscheint es so, als ob es die nepalesische Regierung nicht interessiert, in welcher Lage das Land und die Menschen im Moment stecken. So ist der vor zwei Wochen gewählte Premier Minister KP Sharma Oli erst einmal damit beschäftigt sein neues Kabinett zusammenzustellen.

Bei Gesprächen mit Indien wurde der Ball an Nepal zurück gespielt. Zuerst sollen seitens Nepals die Unruhen im Terai gelöst und auf die Forderungen der Madhesis und Tharus eingegangen werden. Erst dann wäre die Sicherheit der passierenden Güterfahrzeuge gewährleistet und die Öffnung der Hauptgrenze in Rauxal-Birgunj, über die 70 % der Treibstoff Importe erfolgt, möglich. Lediglich durch die Öffnung der kleinen Grenzstationen können seit einer Woche wenige Tanklaster die ersehnten Treibstoffe in die Hauptstadt Kathmandu bringen.

Die Menschen nehmen die Situation hin, versuchen sich selbst zu organisieren oder erst mal alles während der Festivitäten zu vergessen.

 

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Straßenszene in Kathmandu

 
Auch in dieser Situation sind die Menschen Nepals auf sich gestellt. Genauso wie nach dem Erdbeben, hilft sich die Bevölkerung gegenseitig. Auch wir haben enorme Unterstützung seitens unserer lokalen Partnerorganisationen. Das Transportunternehmen, mit dem wir zusammenarbeiten, macht eine zuverlässige und pünktliche Durchführung des Transport-Services für unsere Gäste möglich.

Allerdings sind durch die „Treibstoff-Krise“ und den Regierungswechsel unser Bau-Genehmigungsprozess sowie erforderliche Material-Transporte für den Wiederaufbau ins Stocken geraten. Dennoch können wir  Erfreuliches seitens unserer „Sunaulo Erdbebenhilfe“ berichten:

Nach Fertigstellung des Bau-Dossiers unserer Schweizer Projektgruppe, die durch die Ingenieure ohne Grenzen Schweiz unterstützt wurde, konnten vor Ort in Brabal bereits Schulungen für die Dorfbewohner durchgeführt werden.

Lea und Regula erklärten den Dorfbewohnern was bei einer erdbebensichereren Bauweise zu beachten ist. Anhand eines Models aus Lego-Steinen konnte die Wichtigkeit der seismischen Bänder und der Eckverstärkungen, die für eine zusätzliche Stabilität der Häuser sorgen, anschaulich demonstriert werden.

 

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Lego im Himalaya

 
Unser nächstes Ziel ist es, den Genehmigungsprozess nach den Feiertagen fortzusetzen und so bald als möglich ein Musterhaus zu bauen. Dabei ist es manchmal nicht einfach, alle Standpunkte unter einen Hut zu bringen. Wir versuchen zwischen den exakten Vorstellungen unserer Projektgruppe, den internationalen Volontären und den Meinungen der Dorfbewohner zu vermitteln. Nur Verständnis, Toleranz, Akzeptanz, Gelassenheit, Lernbereitschaft und Geduld auf beiden Seiten lassen uns die interkulturellen Barrieren überwinden.

Die Liebe zum Land und den Menschen lässt uns trotz den Widrigkeiten weitermachen und gibt uns Kraft, die Motivation und das Engagement aufrecht zu erhalten. Herzlichen Dank für all die Unterstützung, die wir durch die Spenden, die Mithilfe vor Ort und durch das Vertrauen erfahren.

Wir freuen uns sehr, dass nun nach langer Zeit unsere Webseite www.sunaulosansar.org in neuem Layout online gegangen ist. Die Webseite ist in englischer und deutscher Sprache abrufbar. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an Timo, der uns stets zuverlässig und schnell IT-technisch begleitet.

Abschließend möchten wir noch darauf hinweisen, dass wir regelmäßig aktuelle Fotos auf unsere Facebook Seite „Hilfe für die Erdbebenopfer im Langtang Tal, Nepal“
(www.facebook.com/helpforlangtang) einstellen. Wer den kleinen Facebook-Icon, der sich unten auf unserer Webseite befindet, anklickt, gelangt direkt zur Seite. Auch diejenigen, die kein Facebook-Konto haben können die Seite aufrufen und die Inhalte sehen und lesen. Wir haben alle Fotos und Berichte öffentlich eingestellt.

Namaste

Temba & Sabine

 

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Danke – Dhanyabad

 

Namaskar Nepal – Informationen / Rundrief No. 11

24. September 2015 at 22:45

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  1. September – Namaskar Nepal – Informationen / Rundbrief No. 11

 

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Sonnenuntergang in Pokhara – Phewa Lake

Nach der zweimonatigen Regenzeit-Pause möchten wir uns heute mit einem neuen Rundbrief zurückmelden.

Seit 1 ½ Wochen sind Temba und ich zurück zu Hause in Nepal. Langsam gewöhnen wir uns wieder an den nepalesischen Alltag.

Gestern Morgen hat mich dieser voll erwischt: Ich stand eingeseift unter der Dusche und es perlten nur noch ein paar Wassertröpfchen aus der Brause… dann versiegte das gute Nass komplett. Da gerade erst die Stromausfallzeit von 4 Stunden begonnen hatte, konnte das Wasser nicht in den Tank auf dem Dach gepumpt werden. Wie gut, dass es im Hof einen Brunnen mit Handpumpe gibt und Temba mir kaltes Wasser zum Abduschen bringen konnte.

Als ich so im Badezimmer stand und auf das Wasser wartete, sind mir viele Gedanken durch den Kopf geschossen. Zuerst natürlich …der Komfort, den wir in Deutschland haben und manchmal vielleicht gar nicht richtig zu schätzen wissen. Wie schön, dass ich diesen in den vergangenen acht Monaten genießen durfte.

Wie winzig erscheint das Problem nicht jeden Morgen mit warmem und genügend Wasser duschen zu können im Gegensatz zu der Situation, in denen sich  Flüchtlinge befinden oder zu der Lebenssituation der Menschen hier in Nepal.

Von der Flüchtlings-Krise bekommen wir in Nepal wenig mit. Informationen gibt es über CNN oder das Internet. Dahingegen ist Nepal in Europa schon seit geraumer Zeit aus dem Blickwinkel der Medien gerutscht. Wobei – die neue Verfassung von Nepal, die am vergangenen Sonntag in Kraft getreten ist, war  die eine oder andere Schlagzeile wert. Insgesamt hat dieser Prozess nun 7 ½ Jahre gedauert.

Am Sonntagabend wurde die neue Verfassung in Kathmandu gefeiert und mit einem Feuerwerk willkommen geheißen. Es fuhren Motorrad-Konvois durch die Straßen und viele Menschen schwenkten die nepalesische Flagge. Was in einigen Teilen Nepals Hochstimmung auslöste, veranlasste andere dagegen zu protestieren. Im südlichen Terai kam es zu Ausschreitungen und der große Bruder Indien versuchte zwischen den dortigen Bewohnern (ethnischen Volksgruppe Tharu und Madhesis) und der nepalesischen Regierung zu vermitteln. Auch die nicht verankerte Regelung über die Vererbung der Staatsagehörigkeit alleine durch die Mutter löst Proteste und Unverständnis aus.

Durch den ganzen Wirbel um die Erstellung einer neuen Verfassung wurde die Problematik der Erdbebenkatastrophe zur Seite geschoben. Artikel und Berichte über bewilligte, aber nicht abgerufene Hilfsgelder durch die nepalesische Regierung sorgen in Europa für Kopfschütteln. Tausende Menschen ohne Dach über dem Kopf sind nach wie vor auf staatliche Hilfe und Unterstützung angewiesen.

Seit gut einer Woche sind die beiden Zimmermänner Volker und Niko, die uns bis Ende Dezember als freiwillige Helfer unterstützen, in Nepal. Morgen fahren Temba und die beiden nach Brabal um die ersten Vorkehrungen für den Wiederaufbau zu treffen. Soweit es noch nicht geschehen ist, müssen der Rückbau der zerstörten Häuser und die Sortierung der wiederverwendbaren Materialien erfolgen. Temba wird sich in Dhunche, der zuständigen Bezirkshauptstadt,  um den Dokumentations- und Genehmigungsprozess kümmern.

Unsere Projektgruppe in der Schweiz hat zwischenzeitlich phantastische Arbeit geleistet und den Grundriss-Plan für ein Haus in einer erdbebensichereren Bauweise erstellt. Zusätzlich wurden die verschiedenen Möglichkeiten zur Stabilisierung der Häuser sowie zu beachtende Hinweise und Empfehlungen dokumentiert.

An dieser Stelle möchten wir nochmals auf unseren ersten Projekt- und Nachhaltigkeitsüberblick „Erdbebenhilfe Nepal“ vom 08.08.2015 unter dem folgenden Link hinweisen:

http://www.sunaulosansar.org/berichte/de/19%20-%20Erdbebenhilfe_Nachhaltigkeits%C3%BCberblick_2015_08082015.pdf

Darüberhinaus freuen wir  uns sehr über den Artikel „Was aus Liebe wachsen kann“, der unter der Rubrik „Save the planet“ in der Herbstausgabe (Erscheinungsdatum: 17.09.2015) des Magazins HAPPY WAY erschienen ist.

Namaste

Temba & Sabine