Bildung für die Ärmsten der Armen

31. August 2017 at 11:44

Schulbildung und Persönlichkeitsentwicklung für die Ärmsten der Armen

Das Kastenwesen in Nepal war bis zu seiner offiziellen Abschaffung im Jahr 1963 über ein Jahrhundert lang gesetzlich verankert. Die Angehörigen der untersten Kaste, die Dalits, gelten als unrein und daher unberührbar. Für uns Europäer ist das nicht nachvollziehbar, denn dazu zählen ehrbare Hand‐
werksberufe wie Schmiede, Schneider, Friseure aber auch bestimmte Musiker, Wäscher, Straßenreiniger und Abdecker. Dalits gehören zu den Ärmsten der Armen und erleben selbst heutzutage noch soziale und politische Diskriminierung und Ablehnung in der Gesellschaft.

Seit 1998 unterstützt die Deutsch-Nepalische Hilfsgemeinschaft e.V. (DNH, www.dnh-stuttgart.org) Dalit Mädchen in der Schulbildung und Persönlichkeitsentwicklung über die nepalesische Hilfsorganisation Children Nepal in Pokhara. Die lokale NGO wurde 1995 gegründet und setzt sich insbesondere für sozial benachteiligte Kinder, hauptsächlich Mädchen, aus armen Familien ein. Dabei wirkt die Organisation als Beratungsstelle und Ausbildungszentrum zugleich. 18 qualifizierte und hochmotivierte Sozialarbeiter kümmern sich um die Kinder und Familien. Von den derzeit 400 betreuten Kindern werden 115 von der DNH gefördert. Gerne würde die DNH dieses Kontingent erweitern, um dem wachsenden Bedarf gerecht zu werden.

Das von Children Nepal praktizierte Hilfsprogramm ist ein Paradebeispiel dafür, wie eine gezielte Hilfe für benachteiligte Kinder inklusive Familienförderung in Nepal geleistet werden kann. Besonders erwähnenswert ist, dass die Kinder während der gesamten Förderungsdauer zu Hause bei ihren Eltern oder Verwandten wohnen. Die Mitarbeiter von Children Nepal kennen die familiären und sozialen Verhältnisse eines jeden Kindes. Bereits bei der Auswahl der Kinder im Alter zwischen fünf und sechs Jahren wird der Familienhintergrund durch einen Hausbesuch und Gesprächen mit Nachbarn untersucht.  Durch weitere regelmäßige Besuche in den Familien können Probleme innerhalb der Verwandtschaft frühzeitig erkannt und anschließend einer Störung der persönlichen und schulischen Entwicklung des betroffenen Kindes entgegengewirkt werden. Wiederkehrende Treffen mit der Schulleitung und den Lehrern tragen dazu bei, Lernprobleme oder unentschuldigte Abwesenheiten vom Unterricht zu erörtern und aufzuklären.

Die finanzielle Unterstützung der Kinder erfolgt in Form der Bereitstellung von Schulmaterialien und Schulkleidung sowie Bezahlung von Schulgebühren, Ausflügen und weiteren bildungsfördernden Maßnahmen. Darüber hinaus leistet die NGO einen besonders nennenswerten und in Nepal sonst selten vorkommenden Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung der Kinder.

Während der wiederholt stattfindenden Schulungen zur Lebensführung und Berufswahl werden die Lebensziele und -vorstellungen eines jeden Einzelnen in einer schriftlichen Zielvereinbarung festgehalten.  In turnusmäßigen Nachschauprüfungen werden die Ziele zusammen mit den Sozialarbeitern überwacht, korrigiert oder neu getroffen. Children Nepal legt dabei großen Wert auf eine realistische und erreichbare Zielsetzung der Kinder.

 

 

Auch zur Inklusion der Dalits trägt die Hilfsorganisation durch Schulungen für Lehrer und Schulleitung bei. „Früher war es für Dalits unmöglich, das Haus einer anderen ethnischen Volksgruppe zu betreten. Ein gemeinsames Essen oder gemütliches Beisammensein war undenkbar. Heutzutage sitzen die Lehrer schon mal zusammen mit den Dalit Schülern. Gemeinsame praktische Arbeiten der Schüler unterschiedlicher Herkunft sind mittlerweile möglich. Positive Entwicklungen und Veränderungen sind langsam wahrnehmbar.“  erzählt Sharada Sharma, die Leiterin von Children Nepal.

Sharada, die bereits seit 21 Jahren für die NGO tätig ist, kann von vielen erfolgreichen Lebensgeschichten der Kinder berichten.

Ganz besonders freut sich sie sich über die Entwicklung der jungen Frau Israth.  Israth war das erste Dalit Mädchen, das von der DNH gefördert wurde. Heute arbeitet sie bei Children Nepal als Sozialarbeiterin und Assistentin der Geschäftsleitung.

Kunjani Pariwar absolvierte nach ihrem Schulabschluss zunächst eine Ausbildung zur Lebens- und Berufsberaterin. Heute studiert sie im letzten Semester Jura. Nach dem Erdbeben im vergangenen Jahr besuchte sie auf eigene Faust die betroffenen Gebiete um die Menschen zu unterstützen und ihnen Mut zu machen.

Der Artikel wurde im DNH-Brief Oktober 2017 veröffentlicht:
http://www.dnh-stuttgart.org/fileadmin/templates/dateien/DNH_Brief_12.pdf