Wenn eine Stadt zum öffentlichen Ausstellungsraum wird

17. Januar 2017 at 8:15

Wenn eine Stadt zum öffentlichen Ausstellungsraum wird
Internationale Fotoausstellung „Photo Kathmandu“

Die Internationale Fotoausstellung „Photo Kathmandu“ (www.photoktm.com) fand in diesem Jahr vom 21. Oktober bis 3. November 2016 zum zweiten Mal in Nepal statt. Das Besondere daran ist, dass die Fotographien überwiegend im Freien auf öffentlichen Plätzen in der ganzen Stadt ausgestellt sind. Neben der Outdoor-Ausstellung gab es ein großes Angebot an begleitenden Events, Workshops, Künstlergesprächen und Slideshows. Informationsposten verteilten Pläne, aus denen die verschiedenen Veranstaltungen und Lokationen ersichtlich waren. Durch die tropfenförmigen, türkisfarbenen Nummerierungen war es auch für Ortsunkundige leicht sich zurecht zu finden.

Hauptveranstalter dieser Ausstellung ist die im Jahr 2007 gegründete Organisation photo.circle (www.photocircle.com.np). Photo.circle bietet eine Plattform für Fotographen und Fotographien in Nepal. Veröffentlichungen, Ausstellungen, Workshops und Auftragsarbeiten sollen dazu beitragen die sozialen Veränderungen im Land zu dokumentieren. Die Veranstaltungen sind ein Aufruf an die Öffentlichkeit sich mit diesen Themen zu beschäftigen und auseinanderzusetzen. Fotos erzählen Geschichten, halten Erinnerungen fest und bewahren Vergangenheit. 2010 wurde dazu die Nepal Picture Library (www.nepalpicturelibrary.org) ins Leben gerufen. Es handelt sich um ein digitales Fotoarchiv, das seit seiner Gründung mehr als 50.000 Fotographien aus verschieden Regionen Nepals gesammelt hat.

Die Fotoausstellung drehte sich um die Themen „Revival, Identität, Konflikt, Integration und Resilienz“. In diesem Jahr decken sich der Beginn der Maoisten Rebellion vor 20 Jahren mit dem Ende vor 10 Jahren. Am 21. November 2006 wurde der Friedensvertrag zwischen der nepalesischen Regierung und dem damaligen CPN (Maoist) Parteichef Pushpa Kamal Dahal (heutiger Premierminister von Nepal) geschlossen. Vor einem Jahr schockierte das verheerende Erdbeben mit anschließender Grenzblockade das Land Nepal und die ganze Welt.

Für die Welt scheinen die Nepali mit Resilienz, einer hohen psychischen Widerstandsfähigkeit Krisen zu bewältigen, ausgestattet zu sein. Aber wie sehen sich die Nepali selbst?

Der Frage nach der nationalen Identität Nepals ging die begleitende Fotoausstellung: PIX – THE NEPAL ISSUE, die vom 30. September bis 7. November im Taragaon Museum, Boudanath, gezeigt wurde, nach. Ein großes Augenmerk richteten die Künstler auch bei dieser Ausstellung auf den 10-jährigen Konflikt mit den Maoisten.

Die nachfolgenden Fotoimpressionen und Erläuterungen geben einen Einblick in die verschiedenen Beiträge einzelner Künstler:

BROKEN RULES (Arantxa Cedillo – Spain):

Der Platz, an dem vor dem Erdbeben die beiden Holzpavillons Mani Mandap standen, ist durch einen Bauzaun abgeschirmt. An den Gittern des Zauns sind die Portraits nepalischer Pionierinnen aufgehängt. Es handelt sich um Kämpferinnen für weibliche Identität und für ein gleichwertiges Rollenbild. Frauen, die den Mut hatten Regeln zu brechen und Neues auszuprobieren.
 


BUNGAYA: RATO MATSYENDRANATH: Forty Years of Festival (Bruce McCoy Owens – USA):

Der Regengott Rato Machhindranath wohnt jeweils halbjährlich in seinen Tempel in Bungamati und in Patan. Jedes Jahr findet zu Beginn der Monsunjahreszeit ein großes Fest zu Ehren der Gottheit statt. Rato Machhindranath wird in einem Festwagen durch die Straßen Patans gezogen. Tausende Menschen sind an der Prozession beteiligt. Die Fotodokumentation, für die sowohl Bungamati als auch Patan als Ausstellungsort gewählt wurde, zeigt wie die Menschen sich mit diesem Festival identifizieren, es leben und gemeinsam diese Tradition feiern.

 

 

 


CLOSE DISTANCE (Jannatul Mawa – Bangladesh):

Diese Ausstellung wurde inmitten des neuen Einkaufszentrums Labim Mall am Phulchok in Patan, platziert. Die Fotos zeigen Frauen aus dem Mittelstand mit ihrer Hausangestellten, nebeneinandersitzend auf dem Sofa. Die sozialen Unterschiede sind gravierend, dennoch erschafft die Künstlerin durch ihre Arbeit, die Möglichkeit ein Band der Verbundenheit und Intimität zwischen den Frauen zu knüpfen. Auch der gewählte Ausstellungsort gehört zu Nepal und der gewaltige Unterschied ist zu spüren. Das luxuriöse, nach europäischem Standard gebaute Einkaufszentrum wirkt auf den ersten Blick wie ein Fremdling im einfachen Stadtbild am Rande der staubigen Straße. Das eine existiert nicht ohne das andere und alles ist verbunden.

 


DALIT: A Quest of Dignity (Nepal Picture Library, curated by Diwas Raja KC – Nepal):

Über 100 Jahre war das Kastenwesen in Nepal gesetzlich manifestiert. In der untersten Kaste wurden die Dalits klassifiziert. Sie werden als Unberührbare und Unreine bezeichnet. Selbst heutzutage, über 50 Jahre nach Abschaffung des Gesetzes im Jahr 1963, erleben die Dalits noch soziale und politische Diskriminierung und Ablehnung in der Gesellschaft.  Diese Ausstellung zeigt das Leben der Daltis und bezeugt besonders die sozialen, wirtschaftlichen, politischen und intellektuellen Benachteiligungen dieser Menschen.

 


MEASURES OF LOSS and MEMORY of War (Stephen Champion – UK, Kunda Dixit – Nepal, Ishan Tankha – India, Jonas Bendiksen – Norwegen):

Eine Ausstellung gemischt aus überdimensionalen Fotos, einer Filmdokumentation und Collagenwand, mitten im bewaldeten Hinterhof des Patan Museums. Bürgerkriege in Sri Lanka, Indien und Nepal. Konflikte, an die sich niemand gerne erinnert. Es gibt wenige, die über diese Zeiten sprechen möchten und können. Zu viele ungeklärte Details über das Verschwinden von Menschen, über das Töten von unschuldiger Zivilbevölkerung, über Gewalt und Verbrechen. Eine künstlerische Darstellung über das Leiden und die innere Stärke der Menschen in einem außergewöhnlichen Zeitgeschehen.

 


SAUDI TALES OF LOVE (Tasneem Al-Sultan – Saudi Arabia):

Wie stehen Frauen in Saudi-Arabien heutzutage zu den islamischen Traditionen und den Vorstellungen zur Rolle der Frau als Hausfrau, Ehefrau und Mutter?  Die Künstlerin gibt mit ihrem Beitrag zur Ausstellung Antworten auf diese Fragen und zeigt auf, dass es auch innerhalb des Islams Frauen gibt, die andere Wertevorstellungen leben und trotzdem in der Gesellschaft integriert sind.